Rohe Kunst: Farbspiele im Grenzbereich
Westdeutsche Zeitung vom 26.04.2005
Turhan Demirel besitzt ungewöhnliche Schätze. Der Wuppertaler sammelt Bilder von Menschen am Rand der Gesellschaft und träumt von einem Ausstellungsraum.
"Wahre Kunst ist immer da, wo man sie am wenigsten erwartet." So formulierte es Jean Dubuffet, der 1944 den Begriff der "Art Brut" prägte, einer "rohen Kunst", die keinem herkömmlichen Stil, sondern allein dem Inneren verpflichtet ist. Dubuffet begann, solche Werke zu sammeln. Sie stammten ausnahmslos von nicht künstlerisch vorgebildeten Personen: Außenseitern, Menschen, die durch eine Lebenskrise zur Kunst gefunden hatten, Häftlingen, vor allem aber Patienten mit psychischen Erkrankungen.
Art Brut wurde auch zur Leidenschaft des seit 1971 in Wuppertal ansässigen Neurochirurgen Turhan Demirel. Vor zehn Jahren entdeckte er auf einem Markt das Objekt eines Autodidakten: Der silberne Abdruck einer weiblichen Brust auf rotem Grund, vor den eine Kette gespannt ist, gab die Initialzündung. Fortan besuchte Demirel Flohmärkte und Ausstellungen, stets mit Blick auf "rohe Kunst".
Inzwischen besitzt er rund 200 Werke und damit die drittgrößte Privatsammlung ihrer Art in Deutschland. Die Auswahl trifft Demirel nach seinem Geschmack, ohne Rücksicht auf einen Marktwert. Den haben viele Werke, nachdem Art Brut seit den 70er Jahren den Weg in Galerien und Museen gefunden hat. Zugleich liegt die Bedeutung dieser Kunst darin, dass sie selbst nicht auf Geld und Anerkennung schielt. Sie sucht keine Vorbilder im Kunstbetrieb und wirkt nie erzwungen, sondern ist Ausdruck einer unverwässerten Kreativität.
Den Betrachter verblüfft die oft fröhliche Farbgebung, aus der man auf ein unbeschwertes Innenleben schließen möchte. Eine solche Interpretation ist aber problematisch. "Oft fällt es schwer, mit den Künstlern über ihre Werke zu sprechen", berichtet Demirel. Gleichwohl sucht er stets Kontakt zu den Menschen, die in ihrer selbst gewählten oder erzwungenen Isolation solch beeindruckende Bilder kreieren.
Während Mediziner die Werke vorwiegend in diagnostischem Sinne verwerten, suchen Laien das Bild vom Künstler zu trennen, um entweder allein die ungewöhnlichen Lebensumstände oder das Werk in kunsthistorischem Kontext zu betrachten. Doch "allein die Gesamtschau ergibt Klarheit", sagt Demirel. Mit diesem Rat öffnet er seine Alben und zeigt etwa Werke Ted Gordons, der mit seinen "Noodles", spiralförmigen Windungen, immer wieder Gesichter zeichnet, von denen er sagt: "Das bin ich!" John H. Toney, der im Wohnwagen inmitten der amerikanischen Sümpfe lebt, entwirft farbenfrohe Körperwelten und signiert die Bilder mit seinem Alter, dem Jahr, in dem sein Führerschein abläuft, und einer Telefonnummer, die nie funktioniert.
Ist Toney der typische Aussteiger, so stammt der stets in einen Kapitänsanzug gekleidete Uwe Bender aus dem Kreis der psychisch Kranken. Seine Bilder, die er um ein Jahr vordatiert, spiegeln die Phantasien eines Menschen, der unter Schizophrenie leidet und dennoch seinen Ausdruck gefunden hat. Zweifellos handelt es sich um eine Kunst, die gegenwärtig im Grenzbereich eingeordnet wird. Solche Grenzen aufzulösen, ist das Ziel des engagierten Sammlers, der sich vor allem eines wünscht: Ausstellungsräume, um die Werke einem breiten Publikum zu präsentieren. Eine Galerie kommt dafür allerdings nicht in Frage, denn verkaufen möchte Demirel die mühsam gesammelten Schätze nicht.
Von Manfred Görgens
Bildwelten von Außenseitern
Westdeutsche Zeitung vom 7.03.2006
„Bildwelten von Außenseitern“ können Besucher im Finanzamt Elberfeld kennen lernen. Vom 9. März bis zum 2. Juni sind an der Kasinostraße 12 insgesamt 40 Werke aus der Sammlung Demirel zu sehen. Gestaltet wurden sie von psychisch Kranken, geistig Behinderten, Gefängnisinsassen, Menschen in freiwilliger oder ungewollter Isolation. Vernissage ist am Donnerstag, 9.März, um 18 Uhr, geöffnet ist die Ausstellung montags bis freitags von 8.30 bis 15.30 Uhr.
Außenseiter im Finanzamt
Westdeutsche Zeitung vom 14.03.2006
In Elberfeld sind Werke aus der Sammlung von Turhan Demirel zu sehen
Es gibt tatsächlich angenehme Gründe das Finanzamt in Elberfeld aufzusuchen: Erstmals ist dort im Erdgeschoss und in der ersten Etage eine Kunstausstellung zu betrachten. Unter dem Titel „Bildwelten von Außenseitern“ präsentiert der Wuppertaler Turhan Demirel insgesamt 47 Arbeiten, die „keineswegs homogen sind, unter keinem bestimmten Stil zusammenzufassen oder einer expliziten Schule zuzuordnen sind“, wie der Sammler erklärt.
Vielmehr sind die Exponate eine „Wanderung durch den Einfallsreichtum sehr besonderer Künstler, ihrer unausgesprochenen Wünsche und der Phantasie, in der gelebt und überlebt wird“. Gestalter der Werke sind Maler aus Belgien, Frankreich, Mexiko und Deutschland mit seelischen Belastungen, also psychisch Kranke, geistig behinderte oder gesellschaftlich Unangepasst, die sich in freiwilliger oder gezwungener Isolation – im Gefängnis- befinden.
„Was sie miteinander verbindet, ist ihre Authentizität, sagt Demirel, Neurochirurg im Bethesda. „Jenseits der etablierten Kunst gibt es Schätze zu entdecken. „Zufällig wurde der Arzt vor Jahren durch Kontakt mit Kunstwerkstätten für Behinderte von der Sammelleidenschaft gepackt, jetzt möchte er eine Lobby für die sonst Ausgegrenzten schaffen, sie aus ihrer Isolation lösen. „Vielleicht werden so Vorurteile gegenüber Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, abgebaut“, hofft er. Außerdem möchte er den Betrachter zu einem neuen, unvoreingenommenen Blick auf Malerei animieren.
Manche der Bilder, überwiegend Zeichnungen, sind unverstellt in ihren Ornamentalformationen, andere kryptisch, manche kindlich-naiv. Mit Wachskreide auf Papier gezeichnet ist ein Teufel mit Mond und Sonne zu sehen, in Acryl auf Wellpappe sind träumende Gesichter gemalt, ineinander verwoben, mit maskenhaftem Blick oder geschlossenen Augen. „Es ist eigenwillige und vielseitige Kunst“, lobt Demirel das Selbstverständnis der Zeichner, die ihr kreatives Schaffen ohne Vorbilder realisiert haben.
Finanzamt Elberfeld, Kasinostraße 12, bis 2.Juni, montags bis freitags von 8.30 bis 15.30 Uhr
Von Valeska von Dolega
ART BRUT KOLEKSIYONU TÜRKIYE'DE
ANKARA (31.03.2008)- Bilimsel yetkinliginin
yani sira kültür ve sanat alanindaki
etkinliklerin de önemli adresi Hacettepe
Üniversitesi, dünyada yaygin olmasina
karsin Türkiye'de pek bilinmeyen Art Brut
koleksiyonuna ev sahipligi yapacak.
Tip egitiminin ardindan 1966 yilindan beri nörosirurji
alanindaki ihtisasi için gittigi Almanya'da
yasayan Turhan Demirel, 450 eserlik Art Brut
Koleksiyonunu 1 Nisan'dan itibaren Hacettepe
Üniversitesi Ahmet Gögüs Sanat
Galerisi'nde sergileyecek. Turhan Demirel, “Bu
sanatla 15 yil önce naif bir anlatim gücü
hissettigim bir otodidakt sayesinde tanistim.
Bu rastlanti benim için ilk kivilcim
oldu. Merakim giderek artti. Eserler ve sanatçilarla
yakindan ilgilenmeye basladim ve sonunda benim
de desenler, resimler ve plastik eserlerden
olusan sayilari 450 yi bulan bir koleksiyonum
oldu” diyen Demirel, Art Brut'a iliskin
su bilgileri verdi:
“Fransiz ressam ve kültür filozofu
Jean Dubuffet 1940'li yillarda sanatta orijinal,
otantik ve saf ifade seklini ararken buldugu,
amatör kisilerce yapilmis ama sanat degeri
çok yüksek olan kuraldisi eserlere
orijinal ve saf anlaminda kullanilan “Art
Brut” olarak adlandirmistir.
Akil hastalari, medyumlar, çocuk ve sanat
egitimi almamis kisilerce yapilan, Almanca Rohe
Kunst, Outsider Art olarak adlandirilan bu eserler,
ne bir sanatsal egilim ne de bir tarzdir. Kavram
daha çok klasik sanat anlayisinin disinda
kalan her türlü sanatsal eserleri
kapsar. Bu sanati yapanlar, geleneksel ve akademik
anlamda sanattan uzak kalmis, ham bir içgüdüyle
sanat üreten kisilerdir. Onlar için
profesyonel sanatçilarin aksine uyum
ya da taklit kesinlikle söz konusu degildir.
Daha çok içinde yasadiklari toplum
tarafindan dislanmis, kendi içlerine
kapanmis kisilerdir. Akil hastalari, içinde
bulunduklari topluma uyumda sorun yasayanlar,
isteyerek ya da istemeden kendi içlerine
dönük yasayanlar, mahkumlar, sanatsal
potansiyeli olan otodidaktlardir.
Sanati meslek edinmislerin aksine onlarin çogu-birkaç
istisna disinda – gerçek bir sanat
egitimi almamis, üstelik çok zor
kosullar altinda çalismaktadirlar. Para
kazanma amaçlari da yoktur. Sahtelikten
uzak, orijinal ve dolaysiz bir biçimde,
halk ya da geleneksel ve akademik sanat dünyasi
tarafindan kabul görülmeksizin eserlerini
kendilerine özgün bir biçimde
yaratirlar. Gerek motif seçiminde gerekse
bunlari aktarmada çok genis yelpazeleri
vardir. En çok tercih ettikleri desen
çizimleridir. Çalismalarinin en
belirgin çikis noktasi iç dünyalaridir.
Eserlerinin geleneksel sanat anlayisinin ve
var olan estetik normlarin disinda kendilerine
özgü bir anlatim dili vardir. Bu nedenle
resimlerin, izleyenleri ayni zamanda hem hayranliga
hem de dehsete düsürmesi sasirtici
degildir. Klasik sanat anlayisinin disinda kendine
özgü olan bu sanatin algilanmasi ve
siniflandirilmasinda uzun süre zorlanildi.
Uzun süren karsi çikmalarin ardindan
bugün özellikle Amerika'da birçok
koleksiyonerin, galeri ve müzelerin, dergi
ve mecmualarin giderek bu sanata ilgilerinin
arttigi gözlemlenmektedir.”
(MAK AJANS/ HM.BB.MT), ANKARA/TÜRKEI
Wenn die gequälte Seele spricht
Wiesbadener Tagblatt vom 27.02.2009
Outsiderkunst und Filzobjekte in zwei Ausstellungen im Wiesbadener Frauenmuseum
WIESBADEN. Mit der Kunst ist das so eine Sache. Wo bleiben jene, die keinen Zugang zum globalisierten Kunstmarkt haben? Mit "Mittendrin und außen vor" zeigt das Wiesbadener Frauenmuseum Outsider-Bilder weiblicher Maler der rund 450 Objekte umfassenden Sammlung Demirel. Allen Bildern gemeinsam ist eine unbändige Kraft und große Authentizität. Die Frauen arbeiten intuitiv, als Autodidakten. Das Ergebnis sind einzigartige Bildwelten, die sich weder nach Publikumsinteressen noch nach Konventionen richten. Ein "Finanzbeamter und seine Frau" (anonym, 1998) finden sich darin ebenso wie eine "Hüterin der Seele" (Paula Pipa, undatiert) oder ein "Richtungsphilosoph" (Alexandra Huber, 2002). In ihrer ungewöhnlichen Darstellung zwingen die Bilder den Betrachter zu anderen Sehweisen. Gelegentlich führt das und die Tatsache, dass viele der Outsiderkünstler seelische Probleme oder eine intellektuelle Behinderung haben, zum Trugschluss, geistige Verwirrung und im wörtlichen Sinne verrückte Bilder würden zusammenhängen. "Falsch", stellt Turhan Demirel, Inhaber der Sammlung Demirel, bei Ausstellungs-Eröffnung klar. "Es gibt ebenso wenig eine Kunst der Verrückten wie es eine Kunst der Magen- und Kniekranken gibt", zitiert Demirel den Franzosen Jean Dubuffet, der mit dem Begriff der "Art Brut" erstmals eine Öffentlichkeit für die Outsiderkunst schuf. Rohes und Ursprüngliches bilden auch Martina Zinkowski und Gabriele Küther-Staudler unter dem Titel "Ich rufe sie mit tausend Namen" ab. Die Filzobjekte der beiden Künstlerinnen sind derzeit ebenfalls im Frauenmuseum ausgestellt. Mit allen Sinnen sollen die Besucher diese Kunst erleben. Dank des witzig-klugen Stimmtheaters von Silvia Sauer, den Rednern Turhan Demirel, Jutta Failing und Laura Kopf gab es eine gelungenen Auftakt für die Ausstellungen. Zinkowskis und Küther-Staudler Kunst ist mit ihren archaischen Motiven von Runen, Höhlenmalereien oder Frauenfiguren schön anzusehen. Das kreative Potential der Outsiderkunst erreichen sie jedoch nicht.
Bis 12. April im Frauenmuseum, Wörthstraße 5, Öffnungszeiten: Mi. + Do. 12 bis 18 Uhr, So. 12 bis 17 Uhr.
Von Anne Winkel
"Outsider Art" bald im Modemuseum
Märkische Allgemeine vom 29.08.2009
MEYENBURG - Zu einer neuen Veranstaltung lädt der Förderverein Modemuseum Schloss Meyenburg am kommenden Wochenende ein. Zur Vernissage „Verborgene Bilderwelten“ – Kunst von Outsidern aus der Sammlung Turhan Demirels präsentiert Ralf Gehler ein historisches Musikprogramm mit Dudelsack, Schlüsselfidel, Maultrommel und Flöten. Beginn der Veranstaltung ist am Samstag, 5. September, um 18 Uhr in den Räumen des Modemuseums.
Nicht zum ersten Mal stellt der Wuppertaler Neurochirurg Turhan Demirel dem Modemuseum Stücke zur Verfügung: So hingen dort bereits reizende Skizzen der amerikanischen Hausfrau Elsa Schau aus, die die Mode der 1920er Jahre sehr treffend und detailliert aufs Papier bannte. In seiner Sammlung „Outsider Art“ – Kunst von Outsidern – hat Demirel mit den Jahren weit über 450 Malereien, Zeichnungen, Plastiken und Grafiken von rund 120 Künstlerinnen und Künstlern zusammen getragen. Und zwar solchen, die am Rande der Gesellschaft leben, eben Outsider sind.
Die Bezeichnung „Outsider Art“ wurde 1972 vom englischen Kunsthistoriker Roger Cardinal „als angelsächsisches Equivalent für den von Jean Dubuffet verwendeten Begriff ’Art Brut’ eingeführt“, heißt es auf der Internetseite zur Sammlung (www.outsider-bilderwelten.de). Outsider Art ist demnach weder eine Kunstrichtung noch ein Stilbegriff. Sie ist deshalb alles andere als eine homogene, in sich geschlossene Einheit. Die Urheber dieser Kunst sind Menschen, die extremen seelischen Belastungen ausgesetzt waren oder ungewöhnliche Erfahrungen machten: Sie sind von der Gesellschaft ausgeschlossen, an den Rand gedrängt: Psychiatrie-Erfahrene, Menschen mit intellektueller Behinderung, Grenzgänger, Sonderlinge, Gefängnisinsassen und Autodidakten mit künstlerischem Potenzial.
In der Sammlung Demirels finden sich Werke von bedeutenden zeitgenössischen Künstlerinnen europäischer Herkunft. Besonderes Herzensanliegen des Sammlers ist es aber, die Werke von weniger bekannten oder gar unbekannten und neu entdeckten, aber nicht minder faszinierenden Künstlerinnen und Künstlern zu erhalten. Dabei folgt er nicht strengen Prinzipien, sondern persönlichen Neigungen. Durch Neuerwerbungen wächst die Sammlung stetig. Dennoch wird sie immer fragmentarisch bleiben, ist geprägt vom eigenen Geschmack und den persönlichen Vorlieben Turhan Demirels.
Die Vernissage im Modemuseum, 033968/50 89 61, am 5. September beginnt um 18 Uhr. Es wird um eine Eintrittsspende von 15 Euro gebeten. Für die Bewirtung ist gesorgt.
Von Beate Vogel
Ausstellungseröffnung: Urtümliche Bilderwelten
Westdeutsche Zeitung vom 30.04.2010
Heute wird die Ausstellung „Urtümliche Bilderwelten“ aus der Sammlung Demirel eröffnet. Gezeigt werden mehr als 40 Exponate von internationalen Künstlern. Turhan Demirel aus Wuppertal wird über die Kunst sprechen, die als „Outsider Art“ bekannt ist. Andre Enthöfer wird Saxofon und Klarinette spielen. Los geht es um 18 Uhr in der Verdi-Bezirksverwaltung, Grünstraße 30. Die Ausstellung läuft noch bis zum 4. Juni. Führungen durch die Ausstellung sind nach Terminvereinbarung möglich. Infos unter Telefonnummer 28130.
Outsider-Art überwindet Barrieren und Behinderungen
dieGesellschafter.de vom 01.06.2010
Der Kunst von Menschen mit geistiger Behinderung, seit den 1970er Jahren auch „Art Brut“ (rohe Kunst) oder „Outsider Art“ genannt, gilt die besondere Leidenschaft von Turhan Demirel. Seit Jahrzehnten sammelt der in Wuppertal ansässige Neurochirurg die Werke von Künstlern, deren Schaffen lange belächelt, ja ignoriert wurde. Zu Unrecht, wie der Neurochirurg betont, weil es in der Kunst kaum eine Ausdruckskraft gebe, „die so authentisch, ursprünglich unverstellt und unmittelbar ist.“ Die Sammlung Demirel zählt in Deutschland inzwischen zu den wichtigsten ihrer Art. Sie umfasst gegenwärtig mehr als 450 Malereien, Zeichnungen, Grafiken und Plastiken von rund 120 Künstlerinnen und Künstlern. Bei den Exponaten handelt es sich überwiegend um Papierarbeiten. Ihre Einzigartigkeit beschreibt Turhan
Demirel wie folgt: Die Kunst von Menschen mit geistiger Behinderung „ist Ausdruck einer tief erlebten Innerlichkeit und wird im Wesentlichen
von unausgesprochenen Wünschen, inneren Widersprüchen und Visionen vorangetrieben. In ihrer Arbeit steckt schöpferische Energie, Fantasiegewalt und eine Schaffenskraft, verbunden mit unverbrauchter Spontaneität. Ihre Kunst ist nicht nach außen sondern nach innen ausgerichtet, sozusagen eine Reise nach Innen.“
Von Reinhard Backes
Entstanden aus einer inneren Notwendigkeit
Westfalenpost vom 28.08.2010
Es ist sehr bunt. Aber nicht nur. Die Bilder sind oft gegenständlich. Aber nicht immer. Manches wirkt ungelenk und kindlich. Aber anderes kühn in der Konstruktion und filigran in der Ausführung. Gibt es denn gar keine Gemeinsamkeiten in der Kunstsammlung von Turhan Demirel? Der Wuppertaler Neurochirurg zitiert den Maler und Kunstphilosophen Jean Dubuffet(1901-1985): „Es gibt ebenso wenig eine Kunst der Verrückten wie eine Kunst der Magenoder Kniekranken.“ Turhan Demirel sammelt Kunst, die man heute nicht mehr die der Verrücktennennt. „Art Brut“, rohe Kunst, war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bezeichnung, später setzte sich „Outsider Art“, Außenseiterkunst durch. Letzteren Begriff benutzt Demirel. Und er versteht darunter Kunst von Menschen, die extremen seelischen Belastungen ausgesetzt waren, die von der Gesellschaft ausgegrenzt werden: Psychiatrie-Erfahrene, Menschen mit intellektueller Behinderung, Gefängnisinsassen. Also doch Verrückte? So ging es zu Beginn des 20. Jahrunderts los: Psychiater ließen
Klinik-Insassen malen, um die Resultate zu Diagnosen nutzen zu können. Aber dann entwickelte sich das weiter. Der Schweizer Patient Adolf Wölfli wurde in den 20er Jahren ein regelrechter Star, Max Ernst, Paul Klee oder Oskar Schlemmer ließen sich anregen. Aber von was genau? Und warum, wenn es doch gar keinen gemeinsamen Kunststil gibt?
Die Antwort auf diese Frage ist für Demirel ganz offensichtlich: „Schauen Sie sich doch nur um“, sagt er und zeigt auf die Wände in seinem Haus. 45 Bilder hängen da, 450 besitzt er insgesamt, was ihn zu einem der bedeutendsten Sammler in Deutschland macht. Vieles steckt in Mappen, anderes ist schräg gegenüber im Haus seines Sohnes gelagert. Aber der Platz wird knapp. Eine feste Bleibe für die Sammlung wäre schön. Das ist ein Traum von Turhan Demirel. Ausstellungen dagegen bestückt er bundesweit mehrmals im Jahr. Man kennt seinen Namen. Zuletzt waren Leihgaben aus Wuppertal, wo Demirel seit bald 40 Jahren lebt, auch in Ankara zu sehen. Aber der Besucher soll ja jetzt auf seine Wände schauen. Und weil er, siehe oben, eben keine richtige Gemeinsamkeit entdecken kann, schaut er von den Bildern wieder fragend auf den Sammler zurück. Und der erklärt, was ihn seit 17 Jahren, als er diese Kunst zufällig entdeckte, so fasziniert: „Alle Bilder sind authentisch, zeigen Phantasie und Ausdruckskraft. Sie sind alle aus innerer Notwendigkeit entstanden, aus einem tief empfundenen
Gestaltungsbedürfnis heraus,ohne auf die Anerkennung anderer zu zielen.“ Und genau das alles vermisst er häufig bei der professionellen Kunst. „Das ist auch Kunst“ war Demirels überraschte erste Empfindung bei der Begegnung mit den Außenseiter-Werken. Und die zweite, nach längerer Beschäftigung und viel Lektüre: „Diese Künstler werden zu Unrecht marginalisiertund ausgegrenzt.“ Um das zu ändern, setzt er seine Sammlung ein, verfasst Aufsätze und hat die Webseite www.outsiderbildwelten.de eingerichtet. Und manchmal kauft er, um notleidende Künstler finanziell zu unterstützen. Das persönliche Kennenlernen ist ihm wichtig. Ansonsten erwirbt er die Bilder bei Ausstellungen in Belgien, Holland, der Schweiz und Österreich („Deutschland ist noch etwas zurück.“) oder bei Online-Auktionen. „Seit den 80er Jahren hat sich ein Nischenmarkt entwickelt“, erzählt Demirel. Vor allem in den USA gibt es spezialisierte Galerien, die bedeutendste Messe findet in New York
statt. Und die Preise? „Von 100 Euro bis 300 000 Euro.“ Aber fehlt diesen Künstler nicht auch etwas? Die Kenntnis der Kunstgeschichte? Gründliche Reflektion der Themen und Motive? „Die Außenseiter beschäftigen sich nicht mit Theorie“, sagt Demirel, „aber sie leben nicht außerhalb der Zeit. Sie werden indirekt beeinflusst.Undsie reflektieren auf ihre eigene Art.“ Wobei er eine klare Grenze zu Sonntagsmalern und volkstümlichen Motiven zieht: „Das ist keine Kunst. Die muss von innen kommen. “Und zwar nicht aus einem kranken Inneren. „Es gibt so wenig kranke Kunst wie gesunde Kunst“, erklärt Demirel. „Wenn ein Kranker Kunst schafft, ist das geradezu ein Beweis dafür, dass seine Seele einen gesunden Kern hat.“ Überhaupt seien Ideen von Genie und Wahnsinn doch völlig veraltet, meint der Neurochirurg, der sich für Psychiatrie zwar interessiert, aber beruflich nichts mit ihr zu tun hat. Und er hat eine Statistik parat, nach der der Prozentsatz der Künstler unter den Geisteskranken genau dem der Normalbevölkerung entspricht. Turhan Demirel möchte Lobbyarbeit leisten für die Kunst der Außenseiter. Er möchte, dass sie ihren Platz in den Museen findet. Weil Kunst von Öffentlichkeit lebt. Weil ein Werk dadurch Bedeutung gewinnt, dass es von vielen Menschen gesehen wird. Er hofft auch, dass damit Vorurteile abgebaut werden gegenüber Menschen am Rande
der Gesellschaft. Aber es geht um die Kunst. Soziale Belange sollen den Blick nicht trüben: „Jedes Bild muss überzeugen. Es darf keinen Behindertenbonus geben.“ Den kritischen Beobachter überzeugt vielleicht nicht jedes einzelne Bild. Aber schon ein kleiner Blick in Demirels große Sammlung trifft auf so viel Überraschungen und Erfindungsreichtum, auf Detailbesessenheit und ungewöhnliche Ideen, dass man den Mann, der Raum, Geld und Zeit den Außenseitern widmet, schon verstehen kann.
Von Harald Ries
Art-Transmitter und Sammlung Demirel vereinbaren Kooperation
03.11.2011
Dortmund. Die Wuppertaler Sammlung Demirel und das europäische Kunstprojekt Art-Transmitter haben eine Kooperation vereinbart. Das war das Ergebnis erster Sondierungsgespräche Ende Oktober in Dortmund. Die Zusammenarbeit bezieht sich auf gemeinsame Ausstellungen, Veranstaltungen oder Fachtagungen zum Thema Kunst und Psychiatrie.
Ingrid Nölle, 1. Vorsitzende von Art-Transmitter: "Wir freuen uns zukünftig mit einer so bekannten Sammlung zusammen zu arbeiten. Das ermöglicht viele weitere Austellungen und Projekte und erweitert auch die Chancen unserer Künstler in der Öffentlichkeit präsent zu sein."
Die Sammlung Demirel umfasst weit über 520 Malereien, Zeichnungen, Grafiken, und Plastiken von rund 140 KünstlerInnen. Über 340 davon können im Internetangebot der Sammlung betrachtet werden.
Eine Hommage an die Außenseiter-Kunst
Westdeutsche Zeitung vom 07.10.2013
Turhan Demirel sammelt nicht nur Kunst – er hat darüber auch ein Buch verfasst.
Wuppertal. Knallbunt, manchmal ungelenk, kleinteilig, dann wieder strukturiert und elegant - Kunst von sogenannten Außenseitern ist sehr unterschiedlich, aber häufig intensiv in der Ausstrahlung.
Der Katernberger Neurochirurg Turhan Demirel hat mit rund 600 Exemplaren deutschlandweit die größte Sammlung dieser Bilder zusammengetragen. Jetzt hat er mit „Bildwelten von Außenseitern“ auch ein Buch zum Thema veröffentlicht.
Schon immer interessiert sich Demirel für Kunst. Doch 1992 bot auf einem Jahrmarkt ein Künstler Bilder an, die anders waren. „Das hat mich regelrecht elektrisiert“, sagt der 74-Jährige. Seine Neugier war geweckt. Er besorgte sich Bücher und machte sich auf die Suche nach Menschen, die jenseits des offiziellen Kunstbetriebs aus innerer Notwendigkeit malen, häufig in seelischen Ausnahmesituationen: Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung, intellektueller Behinderung, verschrobene Sonderlinge, Exzentriker, Gefängnisinsassen.
„Mich fasziniert die Ursprünglichkeit und Authentizität dieser Bilder, ihre Unverbildetheit. Sie haben originelle Ideen, zitieren nicht“, erzählt er. „Kunst ist unteilbar - es sollte nicht zwischen In- und Outsidern unterschieden werden.“
Der Katernberger schreibt über „Bildwelten von Außenseitern“
Ihm ist es ein Anliegen, den künstlerischen Wert der Bilder jenseits biografischer Hintergründe in den Mittelpunkt zu rücken. Aus diesem Wunsch heraus entstand auch die Idee für das Buch. „Seit den 80er Jahren gab es in Deutschland keine Literatur zu dem Thema mehr.“ Also schrieb Demirel drei Monate lang seine Ansichten zur Außenseiter-Kunst nieder.
Auf 21 Seiten erklärt er flüssig und auch für Laien gut verständlich, was Außenseiter-Kunst eigentlich ist, wie der Begriff historisch entstand, wie Außenseiter durch die Jahrhunderte hindurch etablierte Maler beeinflussten und wie diese heute bewertet werden.
Veröffentlicht hat er sein Werk bei Books on Demand. Es ist überall im Buchhandel erhältlich. „Bildwelten von Außenseitern“ (ISBN 978-3732247035) kostet 12,90 Euro.
Von Tanja Heil
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